Evolutionstheoretische Ansätze im Zusammenhang mit schwerer Depression

Die Meinung der Wissenschaft

Einleitung

Viele Evolutionspsychologinnen und Evolutionspsychologen vertreten die Meinung, dass die schwere Depression zu häufig vorkommt, um nur als Krankheit ohne Nutzen für die Gene des Betroffenen betrachtet zu werden. Deshalb nehmen sie an, dass die Depression adaptiv sein muss. Aufgrund dieser Erkenntnis sind verschiedene Hypothesen entstanden, die bereits zum Teil in diesem Blog veröffentlicht wurden (siehe Interpretationen von Daniel Hell, Paul J. Watson und Paul W. Andrewsi, Anthony Stevens, John Priceii, Edward H. Hageniii und Andrew Solomoniv in „Die Depression aus evolutionstheoretischer Sicht“ – „Evolutionstheoretische Interpretationen zur Depression“).

Das in der Steinzeit nützliche hochkomplexe Programm der Depression ist auch heute noch in den menschlichen Genen verankert, aber aufgrund der veränderten sozialen Strukturen konnte sich der Mechanismus der schweren Depression in der heutigen schnelllebigen Zeit über die Selektion nicht rechtzeitig an die veränderten Bedingungen anpassen. Dieser Mechanismus befindet sich deshalb im Chaos und ist im Gegensatz zu früher fast immer sinnlos und schädlich. Folglich hat das Depressionsprogramm seinen ursprünglichen Nutzen verloren und die Gesetze, die eine Depression auslösen, sind meist nur noch schwer erkennbar. Zu einer sinnlosen Krankheit ohne erkennbaren Nutzen ist die Depression folglich erst in unserer Zeit geworden.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wie Nicholas B. Allen, Hagop S. Akiskal, Dan G. Blazer, Paul B. T. Badcock, Bruno Baumann, Claudia Bornschlegl, Bernhard Bogerts, Howard G. Birnbaum, Evelyn J. Bromet, German E. Berrios, Christopher M. Callahan, Robert Dantzer, Jean Endicott, Manfred M. Fichter, Jess G. Fiedorowicz, Erica Goode, Paul Gilbert, Gregg Hendriques, Zachary Garfield, Colin Hendrie, Allan V. Horwitz, Lewis L. Judd, Dieter Krell, Ronald C. Kessler, Julia M. Klein, Dennis K. Kinney, Martin B. Keller, Gabriele Kohlböck, Philip W. Lavori, Andrew C. Leon, Katherine A. McGonagle, Timothy I. Mueller, Jack D. Maser, Randolph M. Nesse, Christopher B. Nelson, Daniel Nettle, Susan Nolen-Hoeksema, Charles B. Nemeroff, Michael J. Owens, Alasdair Pickles, Norbert Quadflieg, Tom Rosenström, Kristen Syme, Martin Seligman, Marvin Swartz, Anderson J. Thompson, Midori Tanaka, Jerome C. Wakefield, Donald Wittman und weitere Evolutionspsychologinnen und Evolutionspsychologen versuchten zu erklären, warum eine schwere Depression adaptiv sein könnte. Ihre Theorien sind unter den folgenden Bezeichnungen zu finden: Psychischer-Schmerz-Hypothese, Verhaltens-Shutdown-Modell, analytische Wiederkäuhypothese, Möglichkeiten der Depression als fehlregulierte Anpassung, Rangtheorie, Sozialrisikohypothese, ehrliche Signaltheorie, Verhandlungstheorie, Hypothese der sozialen Navigation (Nischenänderungstheorie), Depression als Anreizinstrument, Infektionsprävention und Dritter-Ventrikel-Hypothese. Unter diesen Erklärungsansätzen befinden sich jedoch keine überzeugenden Argumente im Hinblick darauf, warum eine Depression adaptiv sein soll. Zudem ist es bei einigen Hypothesen nicht gelungen, Psychologie und Evolution exakt auseinanderzuhalten. Dies wird vor allem dann sichtbar, wenn es darum geht, dass ein Individuum etwas lernen soll.

Präsentation und kritische Bewertung evolutionstheoretischer Hypothesen zur schweren Depression

Im Folgenden werden nochmals ausführlicher die Argumente zusammengefasst, die gegen die Hypothesen der Forscherinnen und Forscher sprechen.

Psychische-Schmerz-Hypothese

Schmerz und Leid sollen den Organismus informieren, dass es schädlich ist, ehrgeizige Ziele zu verfolgen. Die betroffene Person soll sich von der Ursache schädlicher Einflüsse distanzieren und lernen, Umstände, die einen folgenschweren Schaden verursachen, in Zukunft zu vermeiden. Traurigkeit ist quälend, wird jedoch häufig als eine weiterentwickelte Anpassung angesehen, und die meisten Fälle von Depression werden als besonders intensive Fälle von Traurigkeit betrachtet, die als Reaktion auf Widrigkeiten auftritt.v Gemäß der Hypothese des psychischen Schmerzes ist eine Depression dem körperlichen Schmerz insofern ähnlich, als sie die betroffene Person darüber informiert, dass bestimmte aktuelle Umstände die biologische Fitness gefährden. Die betroffene Person soll motiviert werden, Aktivitäten, die zur schädlichen Situation geführt haben, nach Möglichkeit zu vermeiden. Diese Hypothese ist weitverbreitet.

Wenn sich ein Mensch von seinen ehrgeizigen Zielen distanzieren und aus Fehlern lernen soll, so wäre es evolutionär wesentlich leichter, dieses Ziel mithilfe einer lähmenden Müdigkeit oder einer Antriebslähmung zu erreichen, ohne dass der Betroffene das gesamte Programm des extremen Leidens ertragen muss. Müdigkeit und Antriebslähmung mussten nicht über viele Mutationen gefunden werden, da diese schon seit Jahrmillionen existieren. Es ist auch bekannt, dass Depressive meist nur wenig oder nichts durch die Depression für das zukünftige Leben lernen und nach der Depression das vorherige Leben weitgehend unverändert weiterführen. Ein depressiver Mensch, der sich mit Suizidgedanken quält, findet kaum die gewünschte Lösung. Begangene Fehler werden meist wieder begangen. Auch die hohe Neigung zum Suizid spricht gegen die vorgeschlagene Problemlösung. Diese von der Wissenschaft vorgeschlagene evolutionäre Erklärung kann nicht überzeugen.

Verhaltens-Shutdown-Modell

Das Verhaltens-Shutdown-Modell besagt, dass die beste evolutionäre Strategie darin besteht, sich von Aktivitäten zurückzuziehen, wenn die betroffene Person mehr Risiken oder Ausgaben als einer Belohnung ausgesetzt ist. Es wird davon ausgegangen, dass emotionaler ebenso wie physischer Schmerz einem nützlichen adaptiven Zweck dient. Negative Emotionen werden als Strategien gedeutet, die es ermöglichen, insbesondere im sozialen Bereich spezifische Probleme zu erkennen und zu vermeiden. Depression ist mit Energiemangel verbunden, und diejenigen, die darunter leiden, sind risikoscheu und sehen die Welt negativer und pessimistischer, weil sie sich darauf konzentrieren, weitere Verluste zu verhindern.vi

Auch hier gilt, dass die Evolution meist nicht über Umwege verläuft, sondern dass in der Regel ein einfacherer, leichter zu findender Weg verfolgt wird, der im Ansatz bereits vorhanden war. Wenn sich ein Mensch zurückziehen soll, um Risiken oder eine Konfrontation zu vermeiden und Probleme zu erkennen, wäre es, wie bereits erwähnt, evolutionär wesentlich leichter, das genannte Ziel mithilfe einer lähmenden Müdigkeit oder einer Antriebslähmung zu erreichen, ohne dass der Betroffene das gesamte Programm des extremen Leidens erfahren muss. Außerdem macht die hohe Neigung zum Suizid bei dieser Darstellung keinen Sinn. Die von der Wissenschaft vorgeschlagene evolutionäre Erklärung kann auch hier nicht überzeugen.

Erlernte Hilflosigkeit

Ein mit dem Verhaltens-Shutdown-Modell verwandtes Phänomen ist die sogenannte ‚erlernte Hilflosigkeit‘, die u. a. auch bei Ratten beobachtet werden kann: Wenn unkontrollierbare und unaufhaltsame Stressoren lange genug wiederholt auftreten, nehmen Ratten eine erlernte Hilflosigkeit an und weisen eine Reihe von Verhaltensmerkmalen und psychologischen Merkmalen auf, die mit der menschlichen Depression vergleichbar sind. Eine Ratte mit diesen Merkmalen wird nicht versuchen, mit Problemen fertig zu werden, selbst wenn sie sich in einer stressfreien neuartigen Umgebung befindet. Sollten sich ihre seltenen Bewältigungsversuche in einer neuen Umgebung als erfolgreich erweisen, verhindert eine anhaltende kognitive Blockade, dass sie ihr Handeln als nützlich wahrnimmt, und die eventuelle Bewältigungsstrategie hält nicht lange an.

Aus evolutionärer Sicht ermöglicht die erlernte Hilflosigkeit eine Energieerhaltung über einen längeren Zeitraum, falls sich Menschen in einer misslichen Lage befinden, auf die sie keinen Einfluss haben, beispielsweise beim Vorliegen einer Krankheit oder in einer Trockenzeit. Bei den heutigen Menschen manifestiert sich die Depression, die der erlernten Hilflosigkeit ähnelt, jedoch normalerweise als Motivationsverlust. Zudem entstehen verzerrte Sichtweisen, die zu scheinbar unkontrollierbaren Aspekten des Lebens führen, die als repräsentativ für das gesamte Leben angesehen werden. Dies deutet auf eine Diskrepanz zwischen Ursache und moderner Manifestation hin.vii

Auch das Phänomen der erlernten Hilflosigkeit ist hinsichtlich der Erklärung einer Depression aus den bereits genannten Gründen nicht brauchbar.

Analytische Wiederkäuhypothese

Bei dieser Hypothese wird davon ausgegangen, dass eine Depression eine Anpassung ist, die die betroffene Person veranlasst, ihre Aufmerksamkeit ausdauernd und wiederholt auf ein komplexes Problem zu konzentrieren, um es zu analysieren und zu lösen.viii Eine Möglichkeit, wie eine Depression die Konzentration des Individuums auf ein Problem steigert, besteht darin, zu grübeln. Infolgedessen wurde gezeigt, dass depressive Personen sich beim Denken ständig wiederholen (wie beim Wiederkäuen) und über die Gründe für ihre aktuellen Probleme nachdenken. Depressionen veranlassen die betroffene Person auch, vergangene Ereignisse zu reflektieren und zu analysieren, um festzustellen, warum sie passiert sind und wie sie hätten verhindert werden können.ix Die Wiederkäuhypothese ist jedoch in die Kritik geraten mit der Begründung, dass die evolutionäre Fitness erhöht wird, indem eher vor als nach schlechten Erfahrungen gegrübelt wird.x

Wenn ein Mensch angeregt werden soll, aktiv zu grübeln, um seine Aufmerksamkeit ausdauernd und wiederholt auf ein komplexes Problem zu richten und eine Lösung zu finden, wäre es auch hier keinesfalls sinnvoll, die betreffende Person das gesamte Programm des extremen Leidens durchleben zu lassen. Zudem ist unter Fachleuten bekannt, dass depressives Grübeln nicht zielführend ist. Es ist auch bekannt, dass Depressive meist nichts oder nur wenig aus der Depression lernen und ihr vorheriges Leben meist unverändert weiterführen. Einige Kognitionspsychologinnen und Kognitionspsychologen argumentieren, dass die Wiederkäuneigung bzw. das Grübeln die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Depression erhöht.xi Sehr oft ist tatsächlich zu beobachten, dass einer Depression eine Phase des Grübelns vorausgeht (dies wird in einem späteren Beitrag zur Therapie der Depression aus evolutionstheoretischer Sicht noch beleuchtet). Die vorgeschlagene evolutionäre Erklärung kann keinesfalls überzeugen.

Des Weiteren wird behauptet, dass eine Depression die Fähigkeit einer Person zur Konzentration auf ein Problem steigern kann, indem sie die Ablenkung vom Problem verringert. Der Verlust der Freude, der oft mit Depressionen in Verbindung gebracht wird, verringert den Wunsch einer Person, an Aktivitäten teilzunehmen, die kurzfristige Belohnungen bieten, und ermöglicht der Person stattdessen, sich auf langfristige Ziele zu konzentrieren. Darüber hinaus werden Ablenkungen auch durch psychomotorische Veränderungen wie Einsamkeit, verminderten Appetit und Schlaflosigkeit reduziert. Zum Beispiel ermöglicht Schlaflosigkeit die Aufrechterhaltung einer bewussten Analyse des Problems, indem verhindert wird, dass der Schlaf die Analyseprozesse stört. Ebenso beseitigen Einsamkeit, Bewegungsmangel und Appetitlosigkeit Ablenkungsquellen wie soziale Interaktionen und ein Wandern durch die Umgebung.xii

Wenn ein Mensch sich auf seine Probleme konzentrieren soll, um eine Lösung für langfristige Ziele zu finden, ist das komplexe Leiden der Depression auch in diesem Fall völlig überflüssig. Dass Schlaflosigkeit nützlich ist, ist nicht vorstellbar, da Schlafmangel die kognitiven Fähigkeiten reduziert. Zudem ist, wie bereits erwähnt, unter Fachleuten bekannt, dass das depressive Grübeln keineswegs zielführend ist und die depressive Person, wenn überhaupt, meist nur wenig aus ihrer Depression lernt und das vorherige Leben oft unverändert weiterführt. Ein Depressiver, der sich mit Suizidgedanken quält, wird nicht die gewünschte Lösung finden. Die hier vorgeschlagene evolutionäre Erklärung kann daher nicht überzeugen und führt zu keinem brauchbaren Ergebnis.

Möglichkeiten der Depression als fehlregulierte Anpassung

Einige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vertreten die Meinung, dass Depressionen, insbesondere im modernen Kontext, nicht unbedingt adaptiv sein müssen. Die Fähigkeit, Schmerzen zu empfinden und Depressionen zu erleben, sollen adaptive Abwehrmechanismen sein,xiii aber wenn sie „zu leicht ausgelöst, zu intensiv oder von langer Dauer sind“, können sie „fehlreguliert“ werden.xiv Abwehrmechanismen können in einem solchen Fall angeblich zu Krankheiten wie chronischen Schmerzen oder Dehydration durch Durchfall werden. Die Depression kann ein ähnlicher Abwehrmechanismus sein und ebenfalls fehlreguliert sein.xv

Im Gegensatz zu anderen evolutionären Theorien wird bei dieser Theorie die Depression als maladaptives Extrem angesehen, das in kleineren Mengen von Vorteil ist. Teilweise erfolgt eine Konzentration auf das Persönlichkeitsmerkmal Neurotizismus. Ein geringes Maß an Neurotizismus kann gemäß der Theorie die Fitness einer Person durch verschiedene Prozesse steigern, aber zu viel Neurotizismus kann die Fitness beeinträchtigen, beispielsweise durch wiederkehrende Depressionen. Daher wird evolutionär eine optimale Neurotizismus-Menge ausgewählt, und die meisten Menschen sind in diesem Maß neurotisch. Es kommt jedoch ständig zu genetischen Variationen, und manche Menschen sind verstärkt neurotisch, sodass das Risiko von Depressionen erhöht wird.xvi

Eine Erklärung für das Auftreten einer schweren Depression ist bei dieser Darstellung aus den bereits wiederholt aufgeführten Gründen nicht zu finden. Schwere Depressionen kommen viel zu häufig vor und sind viel zu komplex, um sie als Fehlregulierung zu sehen. Auch bei dieser Darstellung ist eine brauchbare Antwort im Hinblick auf den Sinn einer Depression nicht gegeben.

Rangtheorie

Wenn ein Individuum in einen langwierigen Kampf um die Vorherrschaft in einer sozialen Gruppe verwickelt ist und eindeutig verliert, führt eine Depression gemäß der Rangtheorie dazu, dass das Individuum nachgibt und sich unterwirft. Auf diese Weise wird das Individuum vor unnötigem Schaden bewahrt, und die Depression hilft dabei, eine soziale Hierarchie aufrechtzuerhalten. Diese Theorie ist ein Sonderfall einer allgemeineren Theorie, die aus der Hypothese des psychischen Schmerzes abgeleitet wurde: Die kognitive Reaktion, die moderne Depressionen hervorruft, hat sich zu einem Mechanismus entwickelt, der es Menschen ermöglicht, zu beurteilen, ob sie ein unerreichbares Ziel verfolgen, und der sie zum Unterlassen motiviert.xvii xviii

Auch hier gilt, dass eine Antriebslähmung oder eine lähmende Müdigkeit ausreichen würde, um einen Rückzug zu erreichen, das Individuum vor Schaden zu bewahren und eine soziale Hierarchie aufrecht zu erhalten.

Sozialrisikohypothese

Die Sozialrisikohypothese ähnelt der Rangtheorie, konzentriert sich jedoch mehr auf die Bedeutung der Vermeidung des Ausschlusses aus sozialen Gruppen als auf direkte Dominanzwettbewerbe. Die Fitnessvorteile kooperativer Bindungen mit anderen Menschen sind seit langem bekannt. Während des Pleistozäns waren soziale Bindungen zum Beispiel für die Nahrungssuche und den Schutz vor Raubtieren von entscheidender Bedeutung.xix

Gemäß der Hypothese wird die Depression als adaptive, risikoscheue Reaktion auf eine drohende Ausgrenzung aus sozialen Beziehungen angesehen, die einen entscheidenden Einfluss auf das Überleben und den Fortpflanzungserfolg der menschlichen Vorfahren gehabt haben soll. Mehrere Evidenzlinien zu den Mechanismen und der Phänomenologie der Depression deuten darauf hin, dass leichte bis mittelschwere (oder normative) depressive Zustände die Einbindung einer Person in bedeutende soziale Kontexte durch drei sich überschneidende Merkmale aufrechterhalten: eine kognitive Sensibilität für soziale Risiken und Situationen (z. B. Realismus), gehemmtes selbstbewusstes und wettbewerbsorientiertes Verhalten, das die Person wahrscheinlich einem weiteren Konflikt- oder Ausschlussrisiko aussetzt (Symptome sind ein geringes Selbstwertgefühl und sozialer Rückzug) und Verhaltensweisen, die auf relevante andere Personen gerichtet sind, um mehr von ihrer Unterstützung zu gewinnen (z. B. der sogenannte ‚Hilferuf‘).xx xxi

Nach dieser Hypothese spiegeln die schweren Depressionsfälle, die durch klinische Diagnosen erfasst werden, die maladaptive Fehlregulation wider, die teilweise auf die Unsicherheit und die Wettbewerbsfähigkeit der modernen, globalisierten Welt zurückzuführen sein könnte. Dieses Argument wurde jedoch bereits überholt.

Auch hier gilt, dass eine Antriebslähmung oder eine lähmende Müdigkeit ausreichen würden, um einen Ausschluss aus sozialen Gruppen bei Dominanzwettbewerben zu verhindern. Antriebslähmung und Müdigkeit lassen ein zu selbstbewusstes und wettbewerbsbewusstes Verhalten kaum zu. Gegen das Argument, dass die schwere Depression lediglich eine Fehlregulation aufgrund einer modernen, globalisierten Welt ist, spricht, wie bereits erwähnt, dass sich die schwere Depression durch ein auffallend komplexes Programm auszeichnet, das über viele Mutationen entstanden sein muss und deshalb ein hohes Alter anzunehmen ist. Außerdem wäre eine Fehlregulierung nicht so häufig zu beobachten. Auch wird nicht ersichtlich, inwiefern ein Grund für Suizidgedanken vorliegt.

Ehrliche Signaltheorie

Ein weiterer Grund, warum Depressionen als pathologisch angesehen werden, besteht darin, dass Schlüsselsymptome wie der Verlust des Interesses an praktisch allen Aktivitäten für den Betroffenen sehr kostspielig sind. Biologinnen und Biologen sowie Ökonominnen und Ökonomen haben jedoch vorgeschlagen, dass Signale mit inhärenten Kostenglaubwürdig Informationen signalisieren können, wenn Interessenskonflikte bestehen. Nach schwerwiegenden negativen Lebensereignissen, die mit Depressionen in Verbindung gebracht wurden (z. B. Tod, Scheidung) werden Notsignale wie Weinen möglicherweise nicht für voll genommen, wenn die Sozialpartner Interessenkonflikte haben. Die Symptome einer schweren Depression, wie der Verlust des Interesses an praktisch allen Aktivitäten und die Suizidalität sind von Natur aus kostspielig, aber laut der kostspieligen Signalisierungstheorie unterscheiden sich die Kosten für Einzelpersonen in verschiedenen Gruppen. Für Personen, die nicht wirklich bedürftig sind, sind die Fitnesskosten einer Major Depression sehr hoch, da sie den Fluss der Fitnessvorteile gefährden. Für Personen, die wirklich bedürftig sind, sind die Fitnesskosten einer Major Depression jedoch gering, da die Person nicht viele Fitnessvorteile erzielt. Daher kann sich nur eine Person in echter Not eine schwere Depression leisten. Eine schwere Depression dient daher als ehrliches oder glaubwürdiges Signal der Not.

Beispielsweise benötigen Personen, die einen schweren Verlust erleiden, z. B. den Tod eines Ehepartners, häufig die Hilfe und Unterstützung anderer. Über Personen, die nur wenige Konflikte mit ihren Sozialpartnern haben, wird gesagt, dass sie Trauer erleben. Diese Trauer ist teilweise ein Mittel, um anderen ihre Not zu signalisieren. Bei Personen, die viele Konflikte mit ihren Sozialpartnern haben, wird dagegen davon gesprochen, dass sie an Depressionen leiden. Diese Depressionen sind ein Mittel, um anderen, die möglicherweise skeptisch sind, glaubwürdig ein Bedürfnis zu signalisieren.xxii xxiii

Depressive Menschen zeigen ihre Not in der Regel nicht oder wenig. Eine schwere Depression kann daher nicht als ehrliches oder glaubwürdiges Signal der Not betrachtet werden. Um eine Notsituation zu demonstrieren, ist eine Depression auch deshalb ungeeignet, da depressive Menschen meist die Erfahrung machen, dass sich ihr soziales Umfeld zunehmend distanziert. Depressive Menschen zeigen nur selten, wie schlecht es ihnen wirklich geht, sodass eine außenstehende Person meist nicht erkennt, wie sehr der depressive Mensch leidet. Auch die Neigung zum Suizid lässt sich so nicht begründen. Auch mit dieser Theorie wird keine Erklärung für die häufige Verbreitung der schweren Depression geliefert.

Verhandlungstheorie

Eine Depression ist nicht nur für die betroffene Person kostspielig, sondern stellt eine erhebliche Belastung für die Familie, die Freunde und die Gesellschaft dar. Dies ist ein weiterer Grund, warum sie als pathologisch angesehen wird. Wenn depressive Menschen echte, aber unerfüllte Bedürfnisse haben, müssen sie möglicherweise anderen einen Anreiz bieten, diese Bedürfnisse zu befriedigen.

Die Verhandlungstheorie der Depression ähnelt den Theorien der ehrlichen Signalisierung, des Nischenwandels und der sozialen Navigation. Sie stützt sich auf von Ökonominnen und Ökonomen entwickelte Theorien über Arbeitsstreiks, um der ehrlichen Signalisierungstheorie im Wesentlichen ein zusätzliches Element hinzuzufügen: Die Eignung der Sozialpartner ist im Allgemeinen korreliert. Wenn eine Frau unter Depressionen leidet und beispielsweise ihre Investitionen in den Nachwuchs reduziert, ist auch die Fitness des Mannes gefährdet. Die Symptome einer Major Depression dienen somit nicht nur als kostspielige und damit ehrliche Signalisierung der Bedürftigkeit, sondern zwingen auch widerstrebende Sozialpartner dazu, auf dieses Bedürfnis zu reagieren, um eine Verschlechterung der eigenen Fitness zu verhindern.xxiv xxv xxvi

Diese Erklärung für Depression wurde infrage gestellt. Eine Depression verringert das gemeinsame Produkt der Familie oder Gruppe, da der Ehemann oder Helfer den Produktivitätsverlust der depressiven Person nur teilweise ausgleicht. Anstatt depressiv zu werden, könnte sich die Person das eigene Bein brechen und Hilfe von der sozialen Gruppe bekommen, aber dies ist offensichtlich eine kontraproduktive Strategie. Und das Fehlen eines Sexualtriebs verbessert sicherlich nicht die ehelichen Beziehungen oder die Fitness.xxvii

Das hier angeführte Gegenargument ist nicht ganz verkehrt. Die hier angebotene Strategie, die auch als Erpressung angesehen werden kann, kann schon deshalb nicht funktionieren, da die Frau mehr als der Mann zu verlieren hat. Die Frau kann weniger Kinder bekommen als der Mann zeugen kann, und der Mann kann nicht sicher wissen, ob das Kind oder die Kinder von ihm sind. Auch die Tatsache, dass manche Depressionen sehr lange andauern und zum Teil chronisch werden, passt nicht in dieses Schema. Außerdem ist die Natur am Erhalt der Gene und nicht am Wohlbefinden der Frau interessiert. Viele überlebende Kinder mit einer unterdrückten benachteiligten Frau ist für die Natur in der Regel attraktiver als eine glückliche Frau mit wenig Kindern. Eine Strategie der taktischen Erpressung bei fehlendem Partner oder fehlenden Kindern wird von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in diesem Beispiel nicht vorgestellt.

Hypothese der sozialen Navigation oder Nischenänderungstheorie

Die Hypothese der sozialen Navigation oder des Nischenwechsels besagt, dass Depressionen eine Anpassung der sozialen Navigation als letzter Ausweg sind und speziell entwickelt wurden, um Einzelpersonen dabei zu helfen, kostspielige und komplexe vertragliche Einschränkungen in ihrer sozialen Nische zu überwinden. Die Hypothese kombiniert die analytischen Grübel- und Verhandlungshypothesen und legt nahe, dass eine Depression operativ definiert eine Kombination aus anhaltender Anhedonie und psychomotorischer Retardierung oder Unruhe sowie eine fokussierte, nüchterne Perspektive auf gesellschaftlich auferlegte Zwänge bietet, die eine Person daran hindern, große fitnesssteigernde Projekte zu verfolgen. Gleichzeitig dienen öffentlich zur Schau gestellte Symptome, die die Fähigkeit der depressiven Person zu grundlegenden Lebensaktivitäten einschränken, als soziales Signal der Not; die Kostspieligkeit des Signals bestätigt die Ehrlichkeit. Dieselben depressiven Symptome haben für Sozialpartner, die es für unökonomisch halten, hilfreich auf ein ehrliches Bedürfnissignal zu reagieren, das Potenzial, relevante Zugeständnisse zu erpressen und Kompromisse zu erzwingen. Die erpresserische Kraft der Depression rührt daher, dass sie den Fluss jener Güter und Dienstleistungen verlangsamt, die solche Partner von den depressiven sozioökonomischen Arrangements des Status quo erwarten.

Die Depression kann also eine soziale Anpassung sein, die besonders nützlich ist, um eine Vielzahl von Sozialpartnern gleichzeitig zu motivieren, der depressiven Person dabei zu helfen, größere fitnessfördernde Veränderungen in ihrem sozioökonomischen Leben einzuleiten. Es gibt verschiedene Umstände, unter denen dies im sozialen Leben der Menschen notwendig werden kann. Diese Umstände reichen von Rangverlust oder einem bedeutenden sozialen Verbündeten, der die aktuelle soziale Nische unwirtschaftlich macht, bis hin zu einer Reihe kreativer neuer Ideen, wie der Lebensunterhalt bestritten werden kann. Die Hypothese der sozialen Navigation besagt, dass ein Individuum sich in eine zu restriktive Matrix sozialer Austauschverträge verstricken kann und dass diese Situation manchmal eine radikale vertragliche Umwälzung erfordert, die über konventionelle Verhandlungsmethoden hinausgeht.

In Bezug auf die Behandlung von Depressionen stellt diese Hypothese die klinische Annahme infrage, dass die typische Ursache der Depression mit maladaptiven perversen Denkprozessen oder anderen rein endogenen Quellen einhergeht. Die Hypothese der sozialen Navigation verlangt stattdessen nach einer Analyse der Talente und Träume der depressiven Person, der Identifizierung relevanter sozialer Zwänge (insbesondere solche mit einer relativ diffusen Nicht-Punkt-Quelle innerhalb des sozialen Netzwerks der depressiven Person) und einer praktischen sozialen Problemlösungstherapie, die auf Entspannung ausgelegt ist. Diese Beschränkungen reichen aus, um es der depressiven Person zu ermöglichen, ihr Leben unter einem verbesserten Satz von Gesellschaftsverträgen voranzutreiben.xxviii xxix Diese Theorie ist Gegenstand der Kritik.xxx

Bereits bei der analytischen Wiederkäuhypothese, der Verhandlungshypothese und anderen Hypothesen wurde begründet, warum die hier angeführten Argumente nicht zutreffend sein können. Wie erwähnt, hätte sich evolutionär niemals ein so komplexes Programm wie das der Depression entwickelt, um eines der genannten Ziele zu erreichen, wenn stattdessen die Evolution einfachere Wege finden konnte.

Depression als Anreizinstrument

Eine weitere Theorie besagt, dass ein depressiver Zustand nicht adaptiv ist (ganz im Gegenteil), aber die Androhung einer Depression bei schlechten Ergebnissen und das Versprechen von Freude bei guten Ergebnissen adaptiv sind, weil sie das Individuum dazu motivieren, Anstrengungen zu unternehmen, die die Fitness steigern.xxxi Der Grund dafür, sich nicht allein auf Vergnügen als Anreizmittel zu verlassen, liegt darin, dass Glück in Bezug auf die Fitness teuer ist, da das Individuum weniger vorsichtig wird.

Dies ist am leichtesten zu sehen, wenn eine Person manisch ist und sehr riskantes Verhalten unternimmt. Die physiologische Manifestation der Anreize ist am deutlichsten, wenn eine Person bipolar ist und Anfälle extremer Hochstimmung und extremer Depression vorliegen, da Angst vor der (möglicherweise unmittelbaren) Zukunft stark mit der Bipolarität korreliert.xxxii Wie bereits erwähnt, werden bipolare Störungen und klinische Depression im Gegensatz zu Ereignisdepressionen als Dysregulation angesehen, genauso wie anhaltend hoher (oder niedriger) Blutdruck als Dysregulation angesehen wird, obwohl zuweilen hoher oder niedriger Blutdruck die Fitness steigert.

Auch bei diesem Versuch, Depression aus evolutionstheoretischer Sicht zu erklären, gelten die bisher angeführten Gegenargumente. Auch ein Vergleich Depression mit Blutdruck erscheint ziemlich abwegig. Eine brauchbare evolutionäre Erklärung ist bei dieser Darstellung nicht erkennbar.

Infektionsprävention

Laut einer weiteren Hypothese ist die Depression eine evolutionäre Anpassung, da sie dazu beiträgt, Infektionen sowohl bei der betroffenen Person als auch bei ihren Angehörigen zu verhindern.xxxiii xxxiv Erstens ermutigen die Symptome einer Depression wie Inaktivität und Lethargie Betroffene zur Ruhe. Die Energieeinsparung durch solche Methoden ist von großer Relevanz, da die Immunaktivierung gegen Infektionen relativ teuer ist; es muss zum Beispiel eine Erhöhung der Stoffwechselaktivität um 10 % bei einer Änderung der Körpertemperatur um 1 °C gegeben sein.xxxv Daher ermöglicht eine Depression, Energie zu sparen und dem Immunsystem effizienter zuzuordnen.

Eine Depression verhindert eine Infektion zudem dadurch, dass sie soziale Interaktionen und Aktivitäten, die zu einem Austausch von Infektionen führen können, unterdrückt. Der Verlust des Interesses hält beispielsweise von sexuellen Aktivitäten ab, was den Austausch sexuell übertragbarer Krankheiten verhindert. Ebenso können depressive Mütter weniger mit ihren Kindern interagieren, was die Wahrscheinlichkeit verringert, dass die Mutter ihre Angehörigen ansteckt.xxxvi Ferner kann der mit Depressionen verbundene Appetitmangel die Exposition gegenüber lebensmittelbedingten Parasiten reduzieren.xxxvii

Diese Reaktionen werden laut einigen Forschenden durch die akute Freisetzung eines unbekannten Entzündungsmittels (wahrscheinlich Zytokine) in den dritten Ventrikelraum vermittelt. Diese Annahme wird durch bildgebende Untersuchungen unterstützt, die zeigen, dass der dritte Ventrikel bei Depressiven vergrößert ist.xxxviii xxxix

Die Überproduktion von Zytokinen, die aufgrund der wiederholten Anforderungen im Umgang mit einer chronischen Krankheit über die optimalen Werte hinausgeht, kann zu einer klinischen Depression und den begleitenden Verhaltensmanifestationen führen, die eine extreme Energiereserve fördern.xl

Diese Hypothese kann nicht richtig sein. Träfe sie zu, müssten bei einer Grippewelle Menschen vermehrt depressiv werden. Es ist bekannt, dass depressive Menschen ein schlechteres Immunsystem besitzen und dass die Depression das Immunsystem schwächt und die Lebenserwartung reduziert. Um einen Menschen vor Ansteckung zu schützen, wäre es jedoch ausreichend, wenn er von einer lähmenden Müdigkeit befallen würde. Dass das komplexe und anhaltende Programm der Depression durchlaufen wird, ist hier unsinnig. Ein Gefühl der Schwäche bewirkt im Krankheitsfall verminderte Aktivität. Auch die hohe Neigung zum Suizid, die bei depressiven Menschen zu beobachten ist, ist in diesem Zusammenhang nicht erklärbar. Allerdings könnte bei einer tödlichen und ansteckenden Seuche durch eine altruistische Handlung ein Suizid die Übertragung von Krankheitserregern unwahrscheinlicher machen. Jedoch gibt es hierfür keine Hinweise. Die angeführten Argumente sind nicht überzeugend.

Dass kranke Menschen öfters depressiv werden, erscheint einleuchtend, da eine Krankheit die Lebensfreude mindert und Betroffene abwertet, sodass das Selbstbewusstsein Schaden erleidet (hierüber mehr in einem späteren Artikel zur Therapie).

Dritter-Ventrikel-Hypothese

Die Dritter-Ventrikel-Hypothese der Depression besagt, dass das mit Depression verbundene Verhaltenscluster (gebeugte Körperhaltung, Vermeidung von Augenkontakt, verminderter Appetit auf Nahrung und Sex sowie sozialer Rückzug und Schlafstörungen) dazu dient, die Angriffsreize einer Person im Kontext von anderen zu reduzieren (chronisch feindliches soziales Umfeld).xli xlii xliii

Wenn sich ein Mensch zurückziehen und die Angriffsreize anderer reduzieren soll, würde es auch in diesem Fall eine lähmende Müdigkeit reichen, um Angriffsreize zu reduzieren oder zu verhindern. Auch wäre es vollkommen ausreichend, wenn die betroffene Person ein defensives Verhalten, das genetisch dahingehend verankert sein müsste, dass es in bestimmten Situationen ausgelöst wird, zeigen würde. Um die genannten Ziele zu erreichen, wäre es nicht notwendig, das gesamte Programm des extremen Leidens durchmachen zu müssen. Auch die hohe Neigung zum Suizid kann hier nicht erklärt werden.

Zudem ist es bei vielen Hypothesen nicht gelungen, Psychologie und Evolution exakt auseinanderzuhalten. Genetisch verankert ist die Fähigkeit eines Menschen bestimmte Dinge zu lernen, aber das was er warum und wie lernt wird mehr der Psychologie zugeordnet.

Die Tatsache, dass man schwere Depressionen auch bei erfolgreichen Geschäftsleuten, anerkannten Schriftstellern und vielen anderen angesehenen Menschen findet, spricht ebenfalls gegen die vorgestellten Hypothesen.

 

Fazit

Keine der bekannten Theorien liefert eine stichhaltige Erklärung dafür, warum die Evolution ein komplexes Programm wie das der schweren Depression hervorgebracht hat, warum die Betroffenen so leiden müssen und warum die Suizidneigung so hoch ist.

Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, insbesondere Evolutionspsychologinnen und Evolutionspsychologen versuchen, die schwere Depression aus evolutionstheoretischer Sicht zu betrachten und gehen davon aus, dass eine schwere Depression, auch Major Depression oder klinische Depression genannt, keine Fehlfunktion, sondern eine evolutionäre Anpassung ist, die bestimmte Vorteile mit sich bringt. Wenn dies zutrifft, dann ist die Depression nicht vergleichbar mit Krankheiten, die durch Parasitenbefall, Krebs, Organversagen oder schädliche Mutationen bzw. Erbkrankheiten verursacht werden.

Keine der bekannten Theorien liefert eine brauchbare Erklärung dafür, warum die Evolution ein komplexes Programm wie das der schweren Depression hervorgebracht hat, warum die Betroffenen so leiden müssen und warum die Suizidneigung so hoch ist. Wenn ein Mensch sich zum Beispiel vor aggressiven Auseinandersetzungen zurückziehen soll, wäre es vollkommen ausreichend, wenn die betroffene Person ein defensives Verhalten, das genetisch verankert sein müsste, zeigen würde und das unter bestimmten Voraussetzungen abgerufen wird. Oder wenn ein Mensch sich im Falle einer aggressiven Auseinandersetzung zurückziehen soll, könnte er einfach nur von einer lähmenden Müdigkeit befallen werden, anstatt das volle Programm des depressiven Leidens bis hin zur Neigung zum Suizid zu erfahren. Die Fähigkeit zu lähmender Müdigkeit besitzt vermutlich jeder Mensch und war bereits in den Genen affenähnlicher Vorfahren verankert. Müdigkeit existiert bereits seit Urzeiten, also lange vor dem Programm der schweren Depression und musste nicht erst aufwendig über Mutation und Selektion entstehen. Da Evolution meist auf dem einfachsten Weg stattfindet, ist es nicht denkbar, dass evolutionär ein neuer, erheblich komplexerer Weg, der wesentlich aufwendiger und schwerer zu finden und weniger effektiv ist, beschritten wird. Die hier von der Wissenschaft vorgebrachten Überlegungen sind daher als Erklärung, warum die Depression für die Gene des Depressiven nützlich sein soll, unbrauchbar. Der von den Forschenden vorgeschlagene Nutzen einer Depression kann in keinem Fall überzeugen.

i Vgl. Watson, P. J.; Andrews, P. W. (2002). Auf dem Weg zu einer überarbeiteten evolutionären Anpassungsanalyse der Depression: die soziale Navigationshypothese. Zeitschrift für affektive Störungen. 72 (1): 1–14. doi: 10.1016/S0165-0327(01)00459-1. PMID 12204312.

ii Vgl. Stevens, A.; Price, J. (2000). Evolutionäre Psychiatrie: Ein neuer Anfang. ISBN-13:‎ 978-0415138390.

iii Vgl. Hagen, E. H. (2002). Depression als Verhandlungssache: Der Fall nach der Geburt. Evolution und menschliches Verhalten. 23 (5): 323–336. doi: 10.1016/S1090-5138(01)00102-7.

iv Vgl. Solomon, A. (2006). Saturns Schatten: Die dunklen Welten der Depression. ISBN-13:‎ 978-3596703609.

v Horwitz, A. V.; Wakefield, J. C. (2007). Der Verlust der Traurigkeit: Wie die Psychiatrie normales Leid in eine depressive Störung verwandelte. Oxford University Press. ISBN 978-0-19-804269-3.

vi Henriques, G. Depression: Krankheit oder Verhaltens-Shutdown-Mechanismus (PDF). Zeitschrift für Wissenschaft und Gesundheitspolitik.

vii Seligman, M. (1975). Hilflosigkeit: Über Depression, Entwicklung und Tod. San Francisco: WH Freeman.

viii Andrews, P. W.; Thompson, J. A. (2009). Die helle Seite des Blauseins: Depression als Anpassung an die Analyse komplexer Probleme. Psychologische Überprüfung. 116 (3): 620–654. doi: 10.1037/a0016242. PMC 2734449. PMID 19618990.

ix Andrews, P. W.; Thompson, J. A. (2009). Die helle Seite des Blauseins: Depression als Anpassung an die Analyse komplexer Probleme. Psychologische Überprüfung. 116 (3): 620–654. doi: 10.1037/a0016242. PMC 2734449. PMID 19618990.

x Wittman, D. (2014). Darwinsche Depression. Zeitschrift für affektive Störungen. 168 (2): 142–150. doi: 10.1016/j.jad.2014.06.052. PMID 25046740.

xi Nolen-Hoeksma, S. (1987). Geschlechtsunterschiede bei Depressionen: Theorie und Beweise. Psychologisches Bulletin. 101 (2): 259–82. doi: 10.1037/0033-2909.101.2.259. PMID 3562707. S2CID 5026228.

xii Andrews, P. W.; Thompson, J. A. (2009). Die helle Seite des Blauseins: Depression als Anpassung an die Analyse komplexer Probleme. Psychologische Überprüfung. 116 (3): 620–654. doi: 10.1037/a0016242. PMC 2734449. PMID 19618990.

xiii Gilbert, P. (2006). Evolution und Depression: Probleme und Auswirkungen. Psychologische Medizin. 36 (3): 287–297. doi: 10.1017/S0033291705006112. PMID 16236231. S2CID 15408068.

xiv Gilbert, P. (2006). Evolution und Depression: Probleme und Auswirkungen. Psychologische Medizin. 36 (3): 287–297. doi: 10.1017/S0033291705006112. PMID 16236231. S2CID 15408068.

xv Nesse, R. M. (2000). Ist Depression eine Anpassung? Archiv der Allgemeinen Psychiatrie. 57 (1): 14–20. CiteSeerX 10.1.1.318.2659. doi: 10.1001/archpsyc.57.1.14. PMID 10632228.

xvi Allen, N. B.; Badcock, P. B. (2006). Darwinsche Modelle der Depression: eine Überprüfung der evolutionären Berichte über Stimmung und Stimmungsstörungen. Fortschritte in der Neuro-Psychopharmakologie und biologischen Psychiatrie. 30 (5): 815–826. doi: 10.1016/j.pnpbp.2006.01.007. PMID 16647176. S2CID 5954047.

xvii Neese, R. M. (2005). Ist Depression eine Anpassung? Archiv der Allgemeinen Psychiatrie. 57 (1): 14–20. CiteSeerX 10.1.1.318.2659. doi: 10.1001/archpsyc.57.1.14. PMID 10632228. Abgerufen 2007-10-23.

xviii Gilbert, P. (1992). Depression: Die Evolution der Ohnmacht. Psychologie Presse. ISBN 978-0-86377-221-4.

xix Allen, N. B.; Badcock, P. B. (2006). Darwinsche Modelle der Depression: eine Überprüfung der evolutionären Berichte über Stimmung und Stimmungsstörungen. Fortschritte in der Neuro-Psychopharmakologie und biologischen Psychiatrie. 30 (5): 815–826. doi: 10.1016/j.pnpbp.2006.01.007. PMID 16647176. S2CID 5954047.

xx Allen, N. B.; Badcock, P. B. (2006). Darwinsche Modelle der Depression: eine Überprüfung der evolutionären Berichte über Stimmung und Stimmungsstörungen. Fortschritte in der Neuro-Psychopharmakologie und biologischen Psychiatrie. 30 (5): 815–826. doi: 10.1016/j.pnpbp.2006.01.007. PMID 16647176. S2CID 5954047.

xxi Averill, J. R. (1968). Trauer: seine Natur und Bedeutung. Psychologisches Bulletin. 70 (6): 721–748. doi: 10.1037/h0026824. PMID 4889573.

xxii Hagen, E. H. (2003). Das Verhandlungsmodell der Depression. Genetische und kulturelle Evolution der Zusammenarbeit. MIT-Presse. ISBN 978-0-262-08326-3. Abgerufen 2008-02-28.

xxiii Watson, P. J.; Andrews, P. W. (2002). Auf dem Weg zu einer überarbeiteten evolutionären Anpassungsanalyse der Depression: die soziale Navigationshypothese. Zeitschrift für affektive Störungen. 72 (1): 1–14. doi: 10.1016/S0165-0327(01)00459-1. PMID 12204312.

xxiv Hagen, E. H. (1999). Die Funktionen der postpartalen Depression. Evolution und menschliches Verhalten. 20 (5): 325–359. CiteSeerX 10.1.1.335.7173. doi: 10.1016/S1090-5138(99)00016-1.

xxv Hagen, E. H. (2003). Das Verhandlungsmodell der Depression. Genetische und kulturelle Evolution der Zusammenarbeit. MIT-Presse. ISBN 978-0-262-08326-3. Abgerufen 2008-02-28 .

xxvi Hagen, E. H. (2002). Depression als Verhandlungssache: Der Fall nach der Geburt. Evolution und menschliches Verhalten. 23 (5): 323–336. doi: 10.1016/S1090-5138(01)00102-7.

xxvii Wittman, D. (2014). Darwinsche Depression. Zeitschrift für affektive Störungen. 168 (2): 142–150. doi: 10.1016/j.jad.2014.06.052. PMID 25046740.

xxviii Watson, P. J.; Andrews, P.W. (2002). Auf dem Weg zu einer überarbeiteten evolutionären Anpassungsanalyse der Depression: die soziale Navigationshypothese. Zeitschrift für affektive Störungen. 72 (1): 1–14. doi : 10.1016/S0165-0327(01)00459-1. PMID 12204312.

xxix Watson, P. J. (2002). An Evolutionary Adaptationist Theory of Unipolar Depression: Depression als Anpassung für die soziale Navigation, insbesondere zur Überwindung kostspieliger, komplexer vertraglicher Beschränkungen der sozialen Nische des Individuums. Zeitschrift für affektive Störungen, 72 (1): 1–14; doi: 10.1016/S0165-0327(01)00459-1, PMID 12204312.

xxx Brennnessel, D. (2004). Evolutionäre Ursprünge der Depression: eine Überprüfung und Neuformulierung. Zeitschrift für affektive Störungen. 81 (2): 91-102. doi: 10.1016/j.jad.2003.08.009. PMID 15306134.

xxxi Wittman, D. (2014). Darwinsche Depression. Zeitschrift für affektive Störungen. 168 (2): 142–150. doi: 10.1016/j.jad.2014.06.052. PMID 25046740.

xxxii Wittman, D. (2014). Darwinsche Depression. Zeitschrift für affektive Störungen. 168 (2): 142–150. doi: 10.1016/j.jad.2014.06.052. PMID 25046740.

xxxiii Kinney, D. K.; Tanaka, M. (2009). Eine evolutionäre Hypothese der Depression und ihrer Symptome, adaptiven Werte und Risikofaktoren. Zeitschrift für Nerven- und Geisteskrankheiten. 197 (8): 561–567. doi: 10.1097/NMD.0b013e3181b05fa8. PMID 19684491. S2CID 205881413.

xxxiv Raison, C. L.; Miller, A. N. (2012). Die evolutionäre Bedeutung der Depression in der Pathogen Host Defense (PATHOS-D). Molekulare Psychiatrie 1-23. PDF-Datei.

xxxv Kluger, M. J. (1991). Fieber: Rolle von Pyrogenen und Kryogenen. Physiologische Bewertungen. 71 (1): 93–127. doi: 10.1152/physrev.1991.71.1.93. PMC 7191625. PMID 1986393.

xxxvi Kinney, D. K.; Tanaka, M. (2009). Eine evolutionäre Hypothese der Depression und ihrer Symptome, adaptiven Werte und Risikofaktoren. Zeitschrift für Nerven- und Geisteskrankheiten. 197 (8): 561–567. doi: 10.1097/NMD.0b013e3181b05fa8. PMID 19684491. S2CID 205881413.

xxxvii Kinney, D. K.; Tanaka, M. (2009). Eine evolutionäre Hypothese der Depression und ihrer Symptome, adaptiven Werte und Risikofaktoren. Zeitschrift für Nerven- und Geisteskrankheiten. 197 (8): 561–567. doi: 10.1097/NMD.0b013e3181b05fa8. PMID 19684491. S2CID 205881413 .

xxxviii Baumann, B.; Bornschlegl C.; Krell, D.; Bogerts, B. (1997). “Änderungen in den Liquorräumen unterscheiden sich in endogener und neurotischer Depression Eine planimetrische CT-Scan-Studie”. J Störung beeinflussen . 45 (3): 179–88. doi : 10.1016/S0165-0327(97)00073-6 . PMID 9298431 .

xxxix Cousins, D. A; Moore P. B.; Watson S.; Harrison L.; Ferrier I. N.; Junge, A. H.; Lloyd, A. J. (2010). Hypophysenvolumen und dritte Ventrikelbreite bei euthymischen Patienten mit bipolarer Störung. Psychoneuroendokrinologie. 35 (7): 1074–1081. doi: 10.1016/j.psyneuen.2010.01.008. PMID 20171783. S2CID 24962012.

xl Danzer, E. (2002). Zytokine und Depression: ein Update. Gehirn, Verhalten und Immunität. 16 (5): 501–502. doi: 10.1016/s0889-1591(02)00002-8. PMID 12401463. S2CID 33116478.

xli Hendrie, C. A.; Pickles, A. R. (2010). Depression als evolutionäre Anpassung: Implikationen für die Entwicklung neuer medikamentöser Behandlungen. Europäische psychiatrische Übersicht. 3: 46.

xlii Hendrie, C. A.; Pickles, A. R. (2011). Depression: Eine evolutionäre Anpassung, organisiert um den dritten Ventrikel. In: Brinkworth, M.; Weinert, F. (eds). Darwinian Repercussions Darwinism. Interdisziplinärer Kontext. Heidelberg, New York, London: Springer.

xliii Hendrie, C. A.; Pickles, A. R. (2012). Das Versagen des Entdeckungsprozesses von Antidepressiva ist systembedingt. J Psychopharma. 27 (5): 407–13, Diskussion 413-6. doi: 10.1177/0269881112466185. PMID 23222042. S2CID 24171469.

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert